Kreatives Schaffen ohne Vorurteile
„Schau - Spiel -Mensch" ist der Titel eines neuen Projekts des gemeinnützigen Vereins „Grundstein" in Quern-Neukirchen. Im Mittelpunkt steht das Zusammenleben von 58 Menschen, rund die Hälfte von ihnen sind junge Leute mit Behinderungen. Kreative Gruppen haben sich zusammengefunden: Sie spielen Theater, üben ein Schattenspiel ein, drehen einen Märchenfilm, sind mit Digitalkameras auf dem drei Hektar großen Gelände unterwegs und fangen Stimmen für ihren „Hörfunk" ein. Kurz nach Ende seines Sommerurlaubs kam Landrat Bogislav-Tessen nach Neukirchen. „Es gibt im Kreis viele Juwelen, die glänzen. Man muss sie aber erst einmal wahrnehmen", erklärte er nach einem Rundgang von Station zu Station. „Was hier gestaltet wird, ist einfach prima."

Zu Gast bei "Grundstein": Landrat Bogislav-Tessen von Gerlach (links) informiert sich über die kreativen Projekte der Gruppe. (Foto: Köhler)
„Grundstein" -Gründer ist der Niederländer Michael van Amsterdam. Der ausgebildete Mediziner hat seit etlichen Jahren keine Rezepte mehr verschrieben. Stattdessen verschrieb er sich der Kunst, arbeitet als Schauspieler, Clown und Erlebnispädagoge, zudem leitet er die Neukirchener Einrichtung mit einem Team von elf Mitarbeitern, überwiegend Künstlern.
Während seiner Visite musste sich der Landrat einige Überraschungen gefallen lassen. Ein Schabernack beim Morgenfrühstück zum Beispiel: Ein sich unter dem Tisch anschleichender Teilnehmer entwendete dem Verwaltungschef einen Schuh, brachte ihn aber später - frisch geputzt - zurück. Dann stellte Michael van Amsterdam den Gast aus dem Kreishaus auf eine „märchenhafte" Probe. „Wie heißt diese Hütte?" lautete die Frage. Doch von Gerlach zeigte sich sattelfest, als er erkannte, dass die Zimmer „weiß" wie Schnee, „rot wie Blut" und „schwarz" wie Ebenholz ausgemalt sind. Dies könne natürlich nur das „Schneewittchen-Haus sein, so sein Urteil. Stimmte.
Für das Neukirchener „Inklusionsprojekt" ist es dem Verein „Grundstein" gelungen, weitere Organisationen einzubinden: die Flensburger Lebenshilfe und den Lionsclub Flensburg, die Schleswiger Einrichtung „Mittenmang", den Bundesverband Jugend und Film, die Profifilmgruppe „Lifehouse" aus Steinbergkirche und den dänischen Kunst- und Kulturverein Flensborg Fjorde. Auch freiberufliche Künstler sind eingespannt. Van Amsterdam: „Unser Projekt überschreitet politische, kulturelle und soziale Grenzen. Zu den Förderern gehören sogar dänische Kulturschaffende." Dieses Stichwort griff der Landrat auf, indem er dazu ermunterte, künftige Vorhaben in Neukirchen als deutsch-dänische Gemeinschaftsprojekte auszuschreiben.
Bereits an diesem Sonnabend ab 15.30 Uhr werden die Ergebnisse der Gruppenarbeit öffentlich präsentiert - zum Nulltarif. Bis dahin soll mit professioneller Hilfe der Spagat zwischen den Verlockungen in der Freizeit und dem Anspruch an Qualität bei den Produktionen gelingen. Viel wichtiger jedoch ist allen Verantwortlichen die Erkenntnis, dass sich Menschen mit und ohne Handicap ohne Vorbehalte begegnen und sich einer gemeinsamen Aufgabe widmen. Landrat von Gerlach griff ein Wort seiner Gastgeber auf: „Es ist doch ganz normal, verschieden zu sein."
Erschienen am 10.08.2007 im Flensburger Tageblatt
-- > Fotos von der Schau - Spiel - Mensch - Woche
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